Japans Geldpolitik in der Falle
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Bank von Japan in Schwierigkeiten
Es sind Zahlen, die auf den ersten Blick Jubel auslösen müssten: Japans nominales BIP legte im zweiten Quartal um 4,2 Prozent zu, die durchschnittliche Wachstumsrate der vergangenen fünf Jahre lag sogar bei etwa 4,3 Prozent. Nach klassischer Lehre, wie sie etwa Wicksell oder Friedman formuliert hätten, sollte dies der Richtwert für den Leitzins sein – also vier Prozent.
Doch die Realität wirkt wie aus einem anderen Universum: Der Zins der Bank von Japan beträgt kümmerliche 0,5 Prozent. Damit öffnet sich ein Abgrund zwischen ökonomischer Theorie und politischer Praxis. Und genau hier liegt die Tragik: Japans Geldpolitik ist nicht nur zu locker, sie ist gefangen.
Quellen: Bloomberg, Metzler; Stand: 30.6.2025
Warum hält die Bank von Japan am Nullzins-Geist fest, während die Konjunkturdaten für eine andere Zukunft sprechen?
Die Antwort liegt in der Vergangenheit. Jahrzehnte ultraniedriger Zinsen haben ein Ökosystem geschaffen, in dem Staat, Unternehmen und Haushalte gleichermaßen abhängig geworden sind. Die Staatsschuld, die über 250 Prozent des BIP liegt, wirkt wie ein unsichtbares Fallbeil: Jede Zinsanhebung droht den Staatshaushalt zu belasten. Die Bank von Japan ist längst keine unabhängige Notenbank mehr – sie ist der wichtigste Gläubiger des Staates und zugleich sein Geiselnehmer.
Die kurzfristigen Daten malen auch in Zukunft ein Bild robuster Konjunktur: Die Einkaufsmanagerindizes stiegen im August und die Industrieproduktion, die Einzelhandelsumsätze und der Arbeitsmarkt dürften in der kommenden Woche am Freitag auch positive Konjunktursignale senden. Die Inflation im Großraum Tokio (Freitag) könnte im August bei über drei Prozent verharrt sein. All dies müsste in eine Zins-Normalisierung münden. Doch Normalisierung bedeutet hier nicht nur Stabilität, sondern auch Gefahr.
Denn die Finanzmärkte haben sich in einer bizarren Komfortzone eingerichtet: Mit jedem Viertelprozentpunkt Zinserhöhung drohen Turbulenzen wie im August 2024. Die langsame Anpassung der Geldpolitik ist kein Zeichen von Vorsicht, sondern Ausdruck struktureller Probleme.
Die Finanzmärkte preisen erst für die Sitzung im Dezember eine Leitzinserhöhung mit einer Wahrscheinlichkeit größer als 50 Prozent ein. Im Gegensatz dazu sehen wir schon für die Sitzung im September eine Wahrscheinlichkeit von 55 Prozent für eine Leitzinserhöhung. Je länger die Bank von Japan vor dem Hintergrund dieser Datenlage wartet, desto größer das Risiko einer gefährlichen Inflationsbeschleunigung. Steigende Zinsen in Japan könnten weltweit zu steigenden Renditen beitragen, wie es oft in der Vergangenheit zu beobachten war.
Eurozone: Endlich geht es aufwärts
Die Stimmung der Finanzmarktakteure trübte sich zuletzt wieder ein, da die Reformen der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland und die so dringend benötigte Deregulierung nicht vorankommen. Immerhin wurde aber der „Investitionsbooster“ beschlossen.
So scheinen die Unternehmen eine langsame Verbesserung ihrer Lage zu sehen. So verzeichnete der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft einen ermutigenden Anstieg im August. Auch verbesserte sich das Verhältnis von Aufträgen zu Lagerbeständen auf den höchsten Stand seit 2021, was oft als ein Frühindikator für die kommenden Monate herangezogen wird. Dementsprechend bestehen auch gute Chancen für eine Verbesserung des ifo-Index am Montag. Gleichzeitig beleben die vergangenen Leitzinssenkungen der EZB den Kreditzyklus und damit die Geldmenge (Donnerstag), was die Binnenkonjunktur stärkt.
Trotz der positiven konjunkturellen Überraschung erwarten wir noch eine Leitzinssenkung der EZB in diesem Jahr. Der Grund dafür ist unsere Erwartung einer merklich sinkenden Inflation, wie die Daten aus zahlreichen Ländern am Freitag zeigen dürften. Es könnte jedoch sein, dass die EZB noch nicht im September senkt, sondern erst im Oktober oder Dezember.
USA: KI verhindert Schlimmeres
Der US-Wohnimmobilienmarkt sendet eigentlich Rezessionssignale. So dürften sowohl die Neubauverkäufe (Montag) als auch die Immobilienpreise (Dienstag) einen Rückgang verzeichnet haben – die folgende Grafik untermauert diese Aussage.
Quellen: NAHB, University of Michigan Surveys of Consumers, Metzler; Stand 15.08.2025
Laut der Konsumentenumfrage der University of Michigan ist die Absicht der privaten Haushalte, eine Wohnimmobilie zu kaufen, immer noch nahe den Rekordtiefständen. Seit der Pandemie (Dezember 2023) bis Ende Mai 2025 sind die Wohnimmobilienpreise um mehr als 50 Prozent gestiegen.
Immobilien sind also sehr teuer geworden. Gleichzeitig finanzieren die US-amerikanischen privaten Haushalte ihre Immobilienkäufe seit der Finanzmarktkrise überwiegend für 30 Jahre. Derzeit liegt der Zinssatz dafür mit etwa 6,6 Prozent sehr hoch. Auch Leitzinssenkungen der US-Notenbank werden voraussichtlich keinen nennenswerten Effekt auf den Zinssatz für 30 Jahre haben, wie in vielen anderen Ländern in der jüngsten Vergangenheit zu beobachten war. Die Renditestrukturkurven wurden infolge von Leitzinssenkungen steiler. Die eigene Wohnimmobilie ist also für viele Amerikaner unerschwinglich geworden. In der Vergangenheit haben niedrige Kaufabsichten oft zu einem Rückgang der Bauaktivität, gemessen am NAHB-Index, geführt.
Dass der reale Konsum (Freitag) trotzdem immer noch moderat wächst, hängt mit dem Boom im Technologiesektor und dem hohen Investitionstempo in Datenzentren zusammen. Das stabilisiert den Arbeitsmarkt, wie die Einschätzung (Dienstag) der Konsumenten zur Lage am Arbeitsmarkt zeigen dürfte. Ein niedriges, aber stabiles Wachstum bei gleichzeitig steigender Inflation (Freitag) ist ein großes Problem für die US-Notenbank. Wir rechnen aber aufgrund des politischen Umfelds mit einer Leitzinssenkung im September.
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